Wenn ein Handelsvertretervertrag endet, profitiert das Unternehmen oft noch Jahre später von der Tätigkeit des Vertreters. Diese Vorteile zeigen sich beispielsweise in Form von Folgeaufträgen der Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat.
Für solche Folgeaufträge erhält der Handelsvertreter keine Provision mehr. Dieser wirtschaftliche Vorteil für das Unternehmen soll durch den Handelsvertreterausgleichsanspruch nach § 89b HGB ausgeglichen werden.
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Übersicht
Die vier Voraussetzungen für einen Ausgleichsanspruch sind in § 89b Abs. 1 HGB geregelt.
In einem Handelsvertreterverhältnis stehen Personen dann, wenn der Handelsvertreter eine anhaltende Geschäftsbeziehung zu einem Unternehmer pflegt. Er ist dauerhaft für diesen tätig, arbeitet dabei selbständig und ist für seine eigenen Risiken verantwortlich. Er vermittelt Geschäfte und betreut Kunden im Namen des betreffenden Unternehmers.
Das Handelsvertreterverhältnis muss beendet sein. Üblicherweise liegt ein Ausgleichsanspruch vor, wenn der Unternehmer den Vertrag gekündigt hat. Ein Ausgleichsanspruch besteht auch bei einer ordentlichen Kündigung des Vertreters aus Alters- oder Krankheitsgründen oder einer außerordentlichen Kündigung mit triftigem Grund.
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Dies bedeutet beispielsweise, dass der Handelsvertreter neue Kunden für das Unternehmen angeworben oder die Beziehungen zu Altkunden signifikant verbessert hat. Als signifikant gelten die Erhöhungen der Umsätze jedenfalls um 100%. Je nach Umständen des Einzelfalls können jedoch bereits erheblich geringere Steigerungen als wesentliche Erweiterung der Geschäftsverindung angesehen werden. An der Werbung eines Neukunden muss der Handelsvertreter mitursächlich mitgewirkt haben.
Mit Billigkeit sind Gründe gemeint, die möglicherweise eine geringere oder anderweitig veränderte Zahlungshöhe rechtfertigen können. Ein Beispiel ist eine zu Beginn der Tätigkeit des Handelsvertreters hohe Bekanntheit der Marke. In diesem Fall geht das Gericht davon aus, dass es für den Handelsvertreter einfacher war, neue Kunden anzuwerben.
Für die Berechnung des Handelsvertreterausgleichsanspruchs wird zunächst der sogenannte Rohausgleich errechnet, der sich gemäß § 89b Abs. 1 HGB nach dem Unternehmervorteil und der Billigkeit richtet.
Hierfür ist ein Überblick über die Vorteile des Unternehmens notwendig. Die Rechtsprechung geht in der Regel davon aus, dass diese den Provisionsverlusten des Handelsvertreters entsprechen.
Für die Schätzung des Provisionsverlustes werden die Provisionseinnahmen aus den letzten zwölf Monaten vor Ende der Tätigkeit benötigt. Es sind ausschließlich Abschluss- und Vermittlungsprovisionen für die Akquise neuer Kunden sowie für die erhebliche Intensivierung bestehender Kundenverhältnisse zu berücksichtigen.
Im nächsten Schritt wird der Prognosezeitraum festgelegt, also der Zeitraum, in dem der Handelsvertreter noch mit Einnahmen aus seinen Vermittlungen hätte rechnen können. Üblicherweise wird mit einer Spanne von zwei bis fünf Jahren kalkuliert, wobei diese bei langlebigen Produkten wie Fahrzeugen oder Maschinen steigen kann.
Nun wird die sogenannte Abwanderungsquote geschätzt, also der Anteil an abwandernden Kunden. Gerichte setzen diese Quote oft zwischen 20 und 30 Prozent an. Sie wird für jedes Jahr des Prognosezeitraums von den Einnahmen abgezogen, die nach Abzug der Abwanderungsquote aus dem Vorjahr verblieben sind. Abschließend werden die bereinigten Einnahmen aller Prognosejahre addiert, um den gesamten Provisionsverlust zu berechnen.
Zusätzlich erfolgt eine Abzinsung, da der Ausgleichsanspruch dem Handelsvertreter in der Regel als Einmalzahlung überwiesen wird. Der genaue Betrag der Abzinsung ergibt sich aus einem Zinssatz von etwa drei bis fünf Prozent für jedes prognostizierte Jahr.
Zuletzt wird geprüft, ob aus Billigkeitsgründen weitere Anpassungen am Endbetrag notwendig sind (z.B. durch einen Billigkeitsabzug aufgrund der Sogwirkung bekannter Marken).
Nachdem der Rohausgleich ermittelt wurde, wird dieser mit dem sogenannten Höchstbetrag verglichen. Nach § 89b Abs. 2 HGB darf der Ausgleich eine Jahresdurchschnittsprovision, die auf Grundlage der letzten fünf Jahre der Tätigkeit des Handelsvertreters berechnet wurde, nicht überschreiten.
Auf diese Weise wird sichergestellt, dass Unternehmen keine überhöhten Ausgleichsansprüche zahlen müssen. Der Rohausgleich entspricht dem Ausgleichsanspruch, sofern er unter dem Höchstbetrag liegt. Liegt er darüber, kann der Handelsvertreter nur den Höchstbetrag verlangen.
Der Handelsvertreter hat in den letzten zwölf Monaten seiner Tätigkeit 100.000 Euro an Provisionen verdient. In den letzten fünf Jahren betrugen seine Gesamteinnahmen aus Provisionen 450.000 Euro. Die Abwanderungsquote wird mit 15 Prozent pro Jahr angesetzt, und der Prognosezeitraum liegt bei drei Jahren.
Die Provisionseinnahmen der letzten zwölf Monate betragen 100.000 Euro. Abzugskosten in Höhe von 20.000 Euro werden davon abgezogen, sodass 80.000 Euro verbleiben.
Nun wird die Abwanderungsquote von 15 % für den Prognosezeitraum von drei Jahren berücksichtigt:
85 % von 80.000 Euro für Jahr 1: 68.000 Euro
85 % von 68.000 Euro für Jahr 2: 57.800 Euro
85 % von 57.800 Euro für Jahr 3: 49.130 Euro
Summe für alle drei Jahre: 68.000 Euro + 57.800 Euro + 49.130 Euro = 174.930 Euro
Im Beispiel wird eine Abzinsung mit fünf Prozent angewendet, was 8.746,50 Euro ergibt. Nach Abzug der Abzinsung beträgt der Rohausgleich: 74.930 Euro - 8.746,50 Euro = 166.183,50 Euro
Eine Korrektur aus Billigkeitsgründen erfolgt in diesem Beispiel nicht.
Höchstbetrag: Die durchschnittliche Jahresprovision der letzten fünf Jahre beträgt 450.000 Euro / 5 Jahre = 90.000 Euro.
Im Vergleich zeigt sich, dass der Rohausgleich mit 166.183,50 Euro den Höchstbetrag von 90.000 Euro überschreitet. Somit wird der Ausgleich auf den Höchstbetrag von 90.000 Euro begrenzt.
§ 89b Abs. 3 HGB listet die Fälle auch, in denen kein Ausgleichsanspruch entsteht. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Handelsvertreter seinen Vertrag mit dem Unternehmen eigenmächtig gekündigt hat. Eine Ausnahme besteht, wenn die Weiterführung der Tätigkeit aufgrund von Alter oder Krankheit nicht mehr zumutbar war oder wenn der Unternehmer dem Handelsvertreter einen triftigen Grund zur Kündigung gab.
Handelsvertreter können auch dann keinen Ausgleich einfordern, wenn ein Nachfolger in ihren Vertrag mit dem Unternehmen eintritt. In diesem Fall gehen die Gerichte davon aus, dass der Handelsvertreter sich einen Ausgleich von seinem Nachfolger versprechen lässt. Das Recht auf einen weiteren Ausgleich vom Unternehmer erlischt somit.
Besteht ein Anspruch auf einen Ausgleich, muss der Handelsvertreter ihn innerhalb von einem Jahr nach Vertragsbeendigung geltend machen. Falls er diese Frist versäumt, ist das Unternehmen nicht mehr in der Zahlungspflicht.
Nach der ordnungsgemäßen Beendigung eines bestehenden Handelsvertreterverhältnisses kann der Handelsvertreter einen Anspruch auf Ausgleichsleistungen haben. Dies ist der Fall, wenn das betreffende Unternehmen nach Ende des Vertragsverhältnisses weiter erheblich von der Arbeit des Handelsvertreters profitieren kann.
Um den Ausgleichsanspruch für einen Handelsvertreter zu berechnen, nutzen Sie den Provisionsverlust aus einem vorher festgelegten Prognosezeitraum. Dieser ergibt sich aus den Provisionseinnahmen der letzten zwölf Monate vor Beendigung der Tätigkeit, von denen Abzugsposten, Abzinsung und Abwanderungsquoten abgezogen werden. Dieser sogenannte Rohausgleich stellt den Ausgleichsanspruch dar, sofern er einen gesetzlich festgelegten Höchstbetrag nicht übersteigt. Andernfalls kann der Handelsvertreter nur den Höchstbetrag einfordern.
Über den Ausgleichsanspruch gibt es regelmäßig Diskussionen und gerichtliche Auseinandersetzungen. Wir beraten Sie gern in allen Aspekten des Ausgleichsanspruchs, die vor und nach einer Kündigung des Handelsvertretervertrags dringend zu beachten sind und unterstützen Sie außergerichtlich und gerichtlich bei der Durchsetzung Ihrer Interessen.
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Der Handelsvertreterausgleich ist eine finanzielle Entschädigung, die einem Handelsvertreter zusteht, wenn sein Vertragsverhältnis mit einem Unternehmen endet. Diese Entschädigung erfolgt aufgrund der fortlaufenden Vorteile, die das Unternehmen nach der Beendigung der Zusammenarbeit durch die vom Handelsvertreter gewonnenen Kundenbeziehungen erzielt.
Nach § 89b Abs. 1 HGB müssen vier Bedingungen erfüllt sein:
Die Berechnung erfolgt in mehreren Schritten:
1. Rohausgleich:
Ermitteln der Vorteile des Unternehmens, die in der Regel den Provisionsverlusten des Handelsvertreters entsprechen.
Basis sind die Provisionseinnahmen der letzten zwölf Monate vor Vertragsende, bereinigt um Abzugsposten wie ersparte Kosten oder insolvente Kunden.
2. Prognosezeitraum festlegen:
Der Zeitraum, in dem der Handelsvertreter noch mit Einnahmen rechnen konnte, beträgt meist zwei bis fünf Jahre.
3. Abwanderungsquote berücksichtigen:
Ein Prozentsatz der abwandernden Kunden wird für jedes Jahr des Prognosezeitraums berechnet und abgezogen.
4. Abzinsung:
Da der Ausgleich als Einmalzahlung erfolgt, wird der Betrag abgezinst. Der Zinssatz liegt meist bei drei bis fünf Prozent pro Jahr.
5. Höchstbetrag überprüfen:
Der ermittelte Rohausgleich darf eine durchschnittliche Jahresprovision der letzten fünf Jahre nicht überschreiten.
Ja, in folgenden Fällen gibt es keinen Ausgleichsanspruch:
Der Anspruch muss innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vertragsverhältnisses geltend gemacht werden. Nach Ablauf dieser Frist erlischt der Anspruch.
Die Berechnung des Handelsvertreterausgleichs kann komplex sein und erfordert eine genaue Kenntnis der rechtlichen Rahmenbedingungen. Ein spezialisierter Rechtsanwalt kann sicherstellen, dass alle relevanten Faktoren berücksichtigt werden und die Berechnung korrekt erfolgt. Zudem kann ein Anwalt bei Streitigkeiten über den Ausgleichsanspruch vor Gericht vertreten und die Interessen seines Mandanten durchsetzen.