Im Fokus einer Tankstelle steht der Verkauf von Kraftstoffen. Der Tankstellenpächter handelt diesbezüglich als Handelsvertreter des Mineralölkonzerns.
Wir informieren Sie über einige rechtliche Besonderheiten dieses Rechtsverhältnisses zwischen Tankstellenpächter und Mineralölkonzerns und geben einen Überblick zu den Rechten und Pflichten und erklären, wie ein Anwalt Ihnen im Zweifelsfall helfen kann.
Übersicht:
Handelsvertreter sind gemäß § 84 HGB selbständige Gewerbetreibende, die von einem Unternehmen laufend damit betraut sind, Geschäfte zu vermitteln oder im Namen des Unternehmens abzuschließen.
Tankstellenpächter verkaufen Kraft- und Schmierstoffe sowie Motoröle sowohl im Namen als auch auf Rechnung einer Mineralölgesellschaft. Daher wirken sie als Handelsvertreter für dieses Unternehmen.
Die Rechte und Pflichten des Handelsvertreters haben wir in unserem Blogbeitrag “Welche Rechte und Pflichten hat ein Handelsvertreter?” dargestellt.
Das Rechtsverhältnis zwischen dem Betreiber einer Tankstelle (als Pächter und Handelsvertreter) und dem Mineralölkonzern (als Verpächter) besteht aus miet- und pacht- sowie handelsvertreterrechtlichen Elementen. Die konkrete Ausgestaltung eines Tankstellenpachtverhältnisses ist äußerst individuell, besteht in der Regel aber aus einem Tankstellenpachtvertrag und einem Agenturvertrag. Teilweise werden diese in einem Dokument kombiniert oder gesondert abgeschlossen. Immer wird jedoch festgehalten, dass die Beendigung des einen Vertrags auch zur Beendigung des anderen Vertrags führt.
Grundsätzlich verpflichtet sich der Mineralölkonzern (als Verpächter), dem Pächter die Tankstelle zur Nutzung zu überlassen. Der Mineralölkonzern überträgt zudem Rechte zur Nutzung von Markenrechten und sowie Know-how an den Pächter. Gleichzeitig wird dem Pächter in der Tankstelle der Betrieb eines Tankstellen-Shops unter der Marke des Mineralölkonzerns eingeräumt. Aus Gründen der Einheitlichkeit ist es inzwischen üblich, dass der Mineralölkonzern dem Betreiber konkrete Vorgaben zur Produktpalette und zur Regalplatzierung der Produkte macht.
Der Pächter wird zur Zahlung der Pacht verpflichtet. In der Regel ist zudem eine Betriebspflicht vereinbart, wonach der Pächter zur Aufrechterhaltung des Betriebs der Tankstelle verpflichtet ist. Außerdem können Umsatzvorgaben und Bestimmungen über Werbemaßnahmen enthalten sein. Der Tankstellenpachtvertrag enthält immer auch Vorgaben zur technischen Betriebsführung der Tankstelle (insbesondere in Bezug auf die Lager- und Abgabeeinrichtungen).
Durch den Handelsvertretervertrag wird der Tankstellenbetreiber als Handelsvertreter verpflichtet, Kraft- und Schmierstoffe im Namen und für Rechnung des Mineralölunternehmens zu verkaufen. Der Vertrag enthält neben Provisionsregelungen auch Kündigungsvereinbarungen.
Das Tankstellenpachtverhältnis ist entweder auf bestimmte Zeit oder unbefristet geschlossen. Im letzteren Fall sieht der Vertrag entsprechende Kündigungsfristen vor. Dabei muss der Agenturvertrag die Mindestkündigungsfrist des § 89 HGB erfüllen. Im ersten Jahr der Vertragslaufzeit liegt die Kündigungsfrist bei einem Monat, im zweiten Jahr bei zwei Monaten. Bis zum fünften Jahr besteht eine Frist von drei Monaten, für alle länger laufenden Handelsvertreterverträge beträgt sie sechs Monate.
Zudem besteht immer das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund (§ 89a HGB). Dadurch endet der Vertrag auf der Stelle. Eine solche Kündigung ist nur zulässig, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Die gekündigte Vertragspartei muss die Interessen des Gekündigten so grundlegend verletzt haben, dass es nicht zumutbar ist, das Vertragsverhältnis bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen.
In unserem Blogbeitrag erfahren Sie, was es bei der außerordentlichen Kündigung des Handelsvertretervertrags zu beachten gilt.
Der außerordentlichen Kündigung sollte stets eine Abmahnung vorausgehen, wenn der Kündigung ein Fehlverhalten der anderen Vertragspartei zugrunde liegt. Zwischen der Kenntniserlangung über den Kündigungsgrund und dem Ausspruch der Kündigung liegen bestenfalls zwei bis vier Wochen. Wir empfehlen Ihnen, aus Gründen der Beweissicherung schriftlich zu kündigen. Sie müssen keinen Kündigungsgrund angeben, dies kann jedoch für die Geltendmachung oder Abwehr eines Ausgleichsanspruchs relevant sein.
Bevor Sie einen Handelsvertretervertrag fristlos kündigen, sollten Sie sich über die Rechtmäßigkeit der Kündigung sehr sicher sein. Die Kündigung kann unwirksam sein, wenn der Kündigungsgrund nicht aus dem Risikobereich des Gekündigten stammt oder ein Gericht den Pflichtverstoß als nicht ausreichend schwerwiegend einstuft. Bei Letzterem ist auch die bisherige Vertragsdauer relevant.
Ist eine außerordentliche Kündigung unwirksam, wird sie üblicherweise in eine ordentliche Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt umgedeutet. Der Kündigende muss seine Vertragspflichten fortsetzen und möglicherweise Schadenersatz zahlen. Der ordentlich kündigende Handelsvertreter verliert zudem in der Regel seinen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB. Aus diesem Grunde sollten Sie vor einer Eigenkündigung stets eine juristische Beratung in Anspruch nehmen. Halten Sie eine ausgesprochene Kündigung für unrechtmäßig, weisen Sie die andere Vertragspartei sofort darauf hin und lassen Sie sich ebenfalls von einem Anwalt beraten.
Der Ausgleichsanspruch nach §89b HGB schafft einen Wertausgleich für die Provisionen, die der Handelsvertreter aufgrund des beendeten Verhältnisses nicht mehr erhält. Er soll die finanziellen Vorteile kompensieren, die das Unternehmen anders als der Handelsvertreter weiterhin aus dem geworbenen Kundenstamm ziehen kann.
Nach § 89b Abs. 1 S. 1 HGB müssen für den Ausgleichsanspruch drei Voraussetzungen erfüllt sein:
Auch Tankstellenpächter können einen solchen Ausgleichsanspruch geltend machen. Ein Kunde ist vom Tankstellenhalter geworben, wenn dessen Tätigkeit für das Zustandekommen der Geschäftsbeziehungen zwischen dem Kunden und dem Mineralölunternehmen mitursächlich geworden ist.
Der Bundesgerichtshof (BGH) sieht diese Mitursächlichkeit bereits im Offenhalten und Betreiben der Tankstelle. Als Ausgangspunkt für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs ist nach dem BGH die letzte Jahresprovision im Treib- und Schmierstoffgeschäft zugrunde zu legen.
Wegen der besonderen Fluktuation des Kundenkreises beim Tankstellenbetrieb ist dabei nur der Teil zu berücksichtigen, den der Tankstellenbetreiber mit sog. “Stammkunden” gemacht hat. Der BGH stuft als Stammkunden als Stammkunden alle Mehrfachkunden ein, d.h. Kunden, die in einem überschaubaren Zeitraum mehr als nur einmal ein Geschäft mit dem Unternehmer abgeschlossen haben oder voraussichtlich abschließen werden.
Mehr Informationen zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs finden Sie in unserem Blogbeitrag “Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach § 89b HGB”.
Im Regelfall kann der Tankstellenbetreiber als Handelsvertreter keinen Ausgleichsanspruch geltend machen, wenn er den Tankstellenpachtvertrag (und damit auch den damit verbundenen Agenturvertrag) selbst kündigt. Eine Ausnahme besteht, wenn ein Verhalten des Mineralölkonzerns dazu begründeten Anlass gegeben hat.
Bei Eigenkündigung des Vertrags durch den Tankstellenpächter bleibt der Ausgleichsanspruch ebenfalls ausnahmsweise erhalten, wenn die Kündigung aus Alters- oder Gesundheitsgründen erfolgt.
Hierbei können jedoch Schwierigkeiten auftreten. Denn viele Pächter führen ihren Pachtvertrag aus steuerlichen Gründen als Ein-Personen-GmbH. Manche Verpächter berufen sich im Kündigungsfall auf die Tatsache, dass eine GmbH nicht altern oder erkranken könne.
Mehr Informationen über die Ein-Personen-GmbH finden Sie in unserem Blogbeitrag zum Thema Eigenkündigung.
Als Tankstellenpächter sollten Sie vor Ausspruch einer Eigenkündigung oder bei Ablehnung Ihres Ausgleichsanspruchs immer anwaltliche Unterstützung in Anspruch nehmen. Gerade im Zusammenhang mit der Ein-Personen-GmbH zeigt unsere anwaltliche Praxis, dass sich zunächst reflexartig abgelehnte Ausgleichsansprüche mit Erfahrung und Verhandlungsgeschick noch realisieren lassen.
Wir Tankstellenpächter wie auch Mineralölkonzerne im Vorfeld einer Kündigung in Bezug auf deren Rechtmäßigkeit, prüfen die rechtlichen Risiken (insbesondere in Bezug auf den Ausgleichsanspruch) und geben Ihnen eine konkrete Handlungsempfehlung an die Hand. Nach erfolgter Kündigung prüfen wir deren Wirksamkeit und unterstützen bei allen Fragen rund um den Ausgleichsanspruch.
Im Handelsvertreterrecht - und bei der Tankstellenpacht - geht es stets um den Einzelfall. Möchten Sie einen Vertrag kündigen, eine unberechtigte Forderung oder Kündigung abwehren oder Ansprüche geltend machen? Wir stehen Ihnen mit langjähriger Expertise im Handelsvertreterrecht zur Verfügung. Außergerichtlich wie auch vor Gericht setzen wir Ihre Rechte durch. Kontaktieren Sie uns jetzt für eine unverbindliche Erstberatung!
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Tankstellenpächter vertreiben Kraftstoffe und andere Produkte im Namen sowie auf Rechnung eines Mineralölkonzerns. Gemäß § 84 HGB sind Tankstellenpächter für den Mineralölkonzern damit als Handelsvertreter tätig.
Tankstellenpächter können einen Ausgleichsanspruch geltend machen, wenn der Unternehmer nach Beendigung der Geschäftsbeziehung noch vom erworbenen Kundenstamm des Handelsvertreters erheblich profitiert und die Zahlung eines Ausgleichs der Billigkeit entspricht. Die Voraussetzungen ergeben sich aus § 89b HGB. Mit Ausnahme weniger Fälle verliert der Tankstellenpächter seinen Ausgleichsanspruch, wenn er selbst kündigt.
Für eine außerordentliche fristlose Kündigung muss ein wichtiger Grund vorliegen. Die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist muss dem Kündigenden unzumutbar sein. Liegt der wichtige Grund in einem Fehlverhalten der anderen Vertragspartei, ist außerdem eine Abmahnung nötig.